
Zwischen Boom und Bremse: Startet jetzt die große Kupfer-Rallye?
LME-Kupfer durchbricht eine wichtige technische Marke, Produktionsausfälle verknappen das Angebot, das sämtlichen Prognosen zufolge langfristig ohnehin nicht ausreicht: Trotzdem ist eine große Kupferrallye noch nicht ausgemacht.
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Die Kupferpreise an der London Metal Exchange (LME) haben ein Rekordhoch erreicht: Am Donnerstag kostete eine Tonne des Metalls gemessen am 3-Monats-Future 11.183 USD. Zum Jahreswechsel lag der Kurs in London noch bei rund 8.800 USD: Das Plus beträgt seitdem rund 27 %.
Ein Blick auf den Chart zeigt aus technischer Sicht mehrere interessante Details. So wurde mit dem jüngsten Hoch sowohl das Hoch aus dem Jahr 2024 als auch die beiden Hochs aus den Jahren 2021 und 2022 überwunden. Sollte sich der Ausbruch als nachhaltig erweisen, wäre dies ein klares technisches Kaufsignal.
Kupferangebot durch Minenausfälle unter Druck
Was spricht aus fundamentaler Sicht für eine Kupferrallye? Zum einen mehren sich die Sorgen um eine bereits kurzfristig auftretende Angebotslücke. So gab es Rückschläge in großen Minen in Afrika, Chile und Indonesien, die den Kupfermarkt zum Jahreswechsel in ein erhebliches Defizit drücken könnten. Kupferproduzenten wie Anglo American (ISIN: GB00BTK05J60, WKN: A41BF3) und Teck Resources (ISIN: CA8787422044, WKN: 858265) warnten, ihre Kupferproduktion könne 2026 hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Die auf Rohstoffe spezialisierte Londoner Beratungsfirma CRU Group glaubt deshalb, dass die weltweite jährliche Kupferproduktion zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie zurückgehen wird. Morgan Stanley prognostiziert, dass der globale Kupfermarkt im Jahr 2026 mit dem größten Defizit seit mehr als 20 Jahren konfrontiert sein wird. Die Analysten führen dies zum einen auf die Ausfälle in der Minenproduktion, zum anderen auf die ungenutzten US-Lagerbestände zurück.
Morgan Stanley schätzt das Defizit auf dem Kupfermarkt im kommenden Jahr auf mehr als 1 Mio. t. Ähnlich hoch soll es 2027 ausfallen, um dann in den Jahren danach deutlich zu steigen. Langfristig sehen fast alle Analysten einen deutlichen Engpass, weil die Nachfrage in den Bereichen erneuerbare Energien, Elektrofahrzeuge und Rechenzentren deutlich zulegt und das Minenangebot nicht mithalten kann.
Citigroup sieht deshalb in der ersten Jahreshälfte 2026 die Marke von 12.000 USD pro t fallen - und liegt damit keinesfalls am oberen Ende der Kupferprognosen.
"Die Aussichten für Kupfer verbessern sich angesichts der angespannten Lage für 2025 und 2026 angesichts von Angebotsengpässen und steigendem Handelsoptimismus", schrieben die ING-Analysten Warren Patterson und Ewa Manthey am Donnerstag in einer Notiz. "Die positiven Aussichten für ein Handelsabkommen zwischen China und den USA haben einen neuen Impuls für den Anstieg der Kupferpreise gegeben", so Manthey.
Preissensibles China und US-Lagerbestände sprechen gegen höhere Kupferpreise
Ist die Kupferrallye damit eine ausgemachte Sache? Noch nicht ganz: Unsicherheiten bestehen bei allen Prognosen zum Defizit im Hinblick auf die kurz- und mittelfristige Nachfrage. Insbesondere China fragt aufgrund der Konjunkturschwäche und der Krise am Immobilienmarkt weniger nach.
"Wir gehen weiterhin von einer anhaltenden Schwäche des globalen Kupfernachfragewachstums, insbesondere im chinesischen Sektor, aus", sagte Tom Price, Senior Commodities Analyst bei Panmure Liberum. Goldman Sachs rechnet für das laufende Jahr mit einem Nachfragewachstum von 5,3 %. Offenbar nicht genug für eine Rallye: Die Investmentbank hatte Anfang Oktober prognostiziert, dass sich die Kupferpreise in den Jahren 2026 und 2027 in einer Spanne von 10.000-11.000 USD bewegen dürften. Der Grund: Ein Marktüberschuss.
Goldman Sachs führte drei Gründe für die verhaltene Kupferprognose an. Erstens: Chinesische Käufer könnten ihre Käufe reduzieren, wenn die Preise 11.000 USD übersteigen, wie im zweiten Quartal 2024. Zweitens: Überschüssige US-Lagerbestände könnten den Markt schnell wieder ins Gleichgewicht bringen, falls sich die Spreads an der Londoner Metallbörse verringern. Drittens: Die Nachfrage im Zusammenhang mit Rechenzentren wurde wahrscheinlich überschätzt.
Auch die ING warnt vor einbrechender Nachfrage aus China im Fall steigender Preise. So zeigten chinesische Käufer "Anzeichen von Preissensibilität." Tatsächlich deutet die Yangshan-Prämie, die Händler für importiertes Metall zahlen und die ein wichtiger Indikator für die physische Nachfrage in China ist, auf eine nachlassende Nachfrage hin. Die Prämie lag im Mai noch bei 100 USD - aktuell sind es nach dem jüngsten Rückgang Ende September um 20 % noch 35 USD.
Was die Kupfermarkt-Entwicklungen für Produzenten und Explorer bedeuten
Die jüngsten Produktionsprobleme großer Konzerne haben gezeigt, wie anfällig selbst etablierte Marktführer für strukturelle Engpässe sind. Genau daraus ergibt sich jedoch ein interessanter Nebeneffekt: Der zunehmende Druck auf das Angebot öffnet kleineren Entwicklern und Explorern neue Türen.
Unternehmen wie Fairchild Gold (ISIN: CA30371L1013, WKN: A3D1D5) oder Prismo Metals (ISIN: CA74275P1071, WKN: A2QEGD) könnten in einem Umfeld anhaltend hoher Kupferpreise in den Fokus rücken - sei es durch Partnerschaften, Übernahmen oder frisches Investoreninteresse. Projekte, die bislang kaum Beachtung fanden, gewinnen mit jedem Preissprung an Relevanz, insbesondere wenn sie in politisch stabilen Regionen liegen und bereits Explorationsfortschritte vorweisen können.
Damit könnten die aktuellen Entwicklungen am Kupfermarkt nicht nur bestehende Produzenten zu strategischen Neuausrichtungen zwingen, sondern zugleich eine neue Welle an Exploration und Projektentwicklung anstoßen. Ob daraus eine nachhaltige Kupferrallye entsteht, hängt letztlich davon ab, wie schnell neue Projekte in Produktion gebracht werden - und ob die Industrie das strukturelle Angebotsdefizit langfristig in den Griff bekommt.

