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SchwellenländerVerhaftung von Erdogan-Konkurrent drückt TRY und ISE 100

Erdogan demonstriert seinen eisernen Machtanspruch auch über seine Zeit als Präsident hinaus. Die türkischen Märkte, deren Stimmung sich zuletzt etwas aufgehellt hatte, erlebten am Mittwoch ein Fiasko.

von Verumo-Redaktion

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Titelbild: picture alliance / Frank May

Der Haftbefehl gegen einen wichtigen politischen Konkurrenten des türkischen Präsidenten Erdogan hat am Mittwoch die türkischen Märkte auf Talfahrt geschickt. Die Landeswährung Lira sackte auf ein Rekordtief ab, der Aktienmarkt brach ein und am Anleihenmarkt zogen die Renditen deutlich an.

Die Türkische Lira wertete gegenüber dem USD zeitweise um mehr als 5 % ab und markierte ein neues Allzeittief bei ca. 41. Dass sich die Währung im späteren Tagesverlauf wieder stabilisierte, ist Berichten von Bloomberg zufolge auf eine Marktintervention der Banken des Landes zurückzuführen.

Türkische Banken stützen Lira mit Milliardenkäufen

Türkische Banken haben bis Mittwochmittag demnach Anleihen im Wert von rund 8 Milliarden Dollar verkauft, um die Lira zu stützen. Offen war zu diesem Zeitpunkt, warum die Zentralbank nicht selbst einschritt. Die türkischen Devisenreserven lagen im Dezember mit ca. 83 Mrd. USD auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Die Zentralbank war laut Bloomberg nicht für einen Kommentar erreichbar.

Der Aktienindex ISE 100 fiel um zeitweise mehr als 9 % und schloss mit einem Minus von 8,7 % – ​​dem stärksten Rückgang seit vier Jahren.

Zu den größten Verlierern am Aktienmarkt des Landes gehörten Banktitel wie Yapi Kredi Bank (ISIN: TRAYKBNK91N6, WKN: 890215) und Türkiye Garanti Bankasi (ISIN: TRAGARAN91N1, WKN: 907168), die mehrheitlich der spanischen BBVA gehört: Hier stellten sich Kursverluste von 10 % ein. Allerdings kam der Absturz der Kurse so abrupt, dass zweimal ein Handelsstopp ausgelöst wurde.

Auch die Bonität des Landes geriet an den Märkten unter Druck. Die Prämien für Credit Default Swaps stiegen sprunghaft an, wie aus Daten von S&P Global Market Intelligence hervorgeht. Der fünfjährige CDS-Satz für die Türkei stieg demnach von 256 Basispunkten am Vortag auf 279 Basispunkte bzw. 2,79 Prozentpunkte. Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen in Lira stieg um 255 Basispunkte auf 30,74 Prozent.

Richard Segal, Anleihen-Analyst bei Ambrosia Capital, ergänzte: "Erdogan hat immer gesagt, dass er den Wahlprozess und seine Amtszeitbegrenzung respektiert. Was in dieser Woche geschehen ist, lässt daran grundsätzliche Zweifel aufkommen." Vor diesem Hintergrund sei eine Neubewertung der türkischen Märkte wahrscheinlich.

Finanzminister: Sparprogramm wird entschlossen fortgesetzt

Finanzminister Mehmet Simsek, dessen Entscheidung, vor zwei Jahren der Regierung Erdogans beizutreten, an den Märkten positiv aufgenommen worden war, sah sich zu einem beruhigenden Kommentar veranlasst und betonte, die Wirtschaftspolitik der Regierung bleibe unverändert. "Das von uns umgesetzte Sparprogramm wird entschlossen fortgesetzt", schrieb er auf X.

Wenige Tage vor seiner geplanten Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten wurde Haftbefehl gegen den Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu erlassen. Imamoglu wurde zudem mit einer Reihe behördlicher Vorwürfe konfrontiert, darunter die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation und Korruption.

Die Rhetorik eskalierte schnell: Imamoglus Partei warnte vor dem Versuch eines Staatsstreichs - und rief landesweit zu Protesten auf. Die Behörden verhängten ein mehrtägiges Demonstrationsverbot.

Bewusstsein für Machtanspruch Erdogans kehrt zurück

Piotr Matys, Währungs-Analyst bei In Touch Capital Markets zufolge kehrt das Bewusstsein der Anleger für den Machtanspruch Erdogans zurück. Der Präsident versuche mit der Festnahme und den Vorwürfen, die Kandidatur seines Widersachers zu verhindern. Erdogan selbst wird bei den Wahlen 2028 nicht antreten. Seine Kritiker gehen aber davon aus, dass er die Politik seines Nachfolgers maßgeblich mitbestimmen wird.

Der Einbruch der Lira dürfte die Situation des Landes kaum einfacher machen. Die Türkei leidet seit Jahren unter dem Verfall ihrer Währung und einer galoppierenden Inflation. Zuletzt hatte sich die Stimmung wegen rückläufiger Inflationsdaten und der ersten Leitzinssenkung seit Jahren auch am Aktienmarkt etwas aufgehellt. Durch den Kursrutsch am Mittwoch wurden die im März erzielten Gewinne jedoch aufgezehrt.