
Reputationsgewinn: Griechischer Aktienmarkt boomt – doch jetzt droht ein neues Risiko
Ein Plus von 34 % seit Jahresbeginn, dennoch eine moderate Bewertung und dazu ein günstiges makroökonomisches Umfeld: Die Athener Börse bereitet Anlegern derzeit Freude. Doch die neue Stärke könnte bald zum Risiko für die Kurse werden.
Lesezeit 5 min
Der griechische Leitindex Athex Composite hat seit Jahresbeginn um rund 34 % zugelegt und zählt damit zu den Gewinnern des bisherigen Börsenjahres. Vor allem Investoren aus dem Ausland investieren. Im ersten Halbjahr entfielen auf diese Gruppe laut einem Handelsblatt-Bericht 62 % der Umsätze.
Griechische Bankaktien bei Investoren gefragt
Die Investoren setzen vor allem auf Finanztitel. Dies spiegelt sich in der Kursentwicklung wider: Der Bankenindex FTSE/ATHEX Banks legte seit dem Jahreswechsel um mehr als 64 % zu. Die Bewertung scheint dennoch nicht überhöht: Die P/ERatio liegt laut Bloomberg bei 11,5, dass KBV bei 1,64.
Eine Fortsetzung der Rallye hält unter anderem Goldman Sachs für möglich. Die Investmentbank stufte den griechischen Aktienmarkt jüngst herauf. In dieser Woche legen die besonders beachteten Banken Quartalszahlen vor: Positive Überraschungen könnten den Index weiter nach oben treiben.
Das makroökonomische Umfeld in Hellas ist günstig. Im ersten Quartal verzeichnete Griechenland ein Wirtschaftswachstum von 2,2 % und lag damit deutlich über dem EU-Durchschnitt. Das einst berüchtigte Haushaltsdefizit ist (auch aufgrund der damaligen Umschuldungsmaßnahmen) vom Tisch. 2024 wurde ein Haushaltsüberschuss von 370 Millionen EUR erwirtschaftet.
Da Griechenland nur wenige Waren exportiert, geht der Zollstreit weitgehend an dem beliebten Urlaubsland vorüber. Maximal 0,15 % niedriger könnte das Wirtschaftswachstum laut einer Analyse der Notenbank durch die Zölle ausfallen.
Athen gewinnt an den Finanzmärkten an Reputation
Die günstige Entwicklung wirkt sich auf die Wahrnehmung Griechenlands an den Finanzmärkten aus. Die Renditen griechischer Staatsanleihen liegen niedriger als die für italienische Schuldverschreibungen mit gleicher Laufzeit.
S&P Dow Jones Indices kündigte in der vergangenen Woche an, den griechischen Kapitalmarkt von der aktuellen Kategorie "Schwellenmarkt" in den Status "Entwickelter Markt" umzuklassifizieren. Die für September 2026 geplante Maßnahme spiegelt laut der Athex Group "den stetigen Fortschritt und die starke Dynamik des griechischen Kapitalmarkts in den letzten Jahren wider, die sich durch die Verbesserung aller wichtigen Kennzahlen und das stetig wachsende Vertrauen der Anleger auszeichnet."
S&P DJI ist die erste der drei Ratingagenturen, die die Athener Börse auf eine Beobachtungsliste gesetzt haben und nun ein konkretes Datum für die endgültige Neuklassifizierung als entwickelter Markt bekannt gegeben hat. Möglicherweise folgen bald auch die anderen Agenturen.
Hochstufung zum entwickelten Markt: Ende des Rampenlichts?
"Die endgültige Hochstufung zum 'entwickelten Markt' dürfte als starker Katalysator für neue Investitionen eines breiteren Spektrums institutioneller Anleger wirken, die sich ausschließlich auf entwickelte Märkte konzentrieren. Dies wird die internationale Reichweite der Athener Börse deutlich steigern und ihr Wachstum fördern", heißt es in einer Mitteilung der Athener Börse.
Doch nicht alle teilen diesen Optimismus. Bereits im März 2024 hatte J.P. Morgan davor gewarnt, dass die Heraufstufung die günstige Entwicklung des griechischen Aktienmarktes unterbrechen könne. Der Grund: Im Umfeld der entwickelten Märkte sei Griechenland nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.
Die Investmentbank erneuerte diese Einschätzung kürzlich. So werde Griechenlands Gewicht im MSCI Europe Index 40 Basispunkte betragen, während es im MSCI Emerging Markets Index heute 4 % bzw. 400 Basispunkte seien. "Die Heraufstufung wird sich negativ auf die Gesundheit des Aktienmarktes insgesamt auswirken, da die Investitionssichtbarkeit Griechenlands für viele Fonds deutlich herabgestuft wird", warnte die US-Bank.
Beispielsweise werde die National Bank nicht zu den 50 größten europäischen Finanzsektoren gehören, PPC nicht zu den 25 größten europäischen Versorgungsunternehmen und Metlen nicht zu den 75 größten Industriesektoren. Die Unternehmen verschwänden so vom Radar der Anleger.