
Schwache Kursentwicklung: Der Aktienmarkt in Saudi-Arabien zweifelt an Vision 2030
Der saudische Aktienmarkt gehört in diesem Jahr zu den schwächsten der Welt. Ein Grund dafür liegt in dem wachsenden Kapitalbedarf im Umfeld niedriger Ölpreise.
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Der Tadawul All-Share Index hat seit Jahresbeginn um gut 9 % nachgegeben und gehört damit zu den schwächsten nationalen Börsenbarometern weltweit. Für die schwache Performance gibt es Gründe: Mehrere IPOs haben zuletzt nicht wirklich gezündet, der schwache Ölpreis und die wachsende Staatsverschuldung schüren Sorgen um den langfristigen Erfolg der saudischen Wirtschaftsstrategie.
Bedenken wegen "Umfeld niedriger Ölpreise"
Monica Malik, Chefökonomin der Abu Dhabi Commercial Bank, sieht mehrere Schwachstellen. "So gebe es "zunehmende Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit Saudi-Arabiens, mit einem Umfeld niedriger Ölpreise zurechtzukommen", warnt sie. Aber auch die "knappe Liquidität im Bankensektor" belaste den Markt. Diese knappe Liquidität kommt nicht von ungefähr: Die Banken des Königreichs mussten der Regierung großvolumige Kredite zur Verfügung stellen.
Der IPO-Markt läuft nur auf den ersten Blick gut. Zwar wurden in diesem Jahr durch Börsengänge bislang 2,8 Mrd. USD eingenommen, was einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr entspricht. Doch die Entwicklung der neu gelisteten Unternehmen enttäuschte überwiegend: Das Plus im ersten Handelsmonat lag mit 4 % deutlich unter dem Niveau des Vorjahres (27 %).
Saudische IPOs gewinnen nur wenig an Wert
So büßte etwa die Aktie des Verpackungskonzerns United Carton Industries seit dem Börsengang Ende Mai 35 % ein. Der Billigflieger Flynas hat seit dem IPO im Juni 8 % eingebüßt. Das Fitnessstudio-Unternehmen Sport Clubs entwickelte sich mit einem Plus von 10 % seit dem Börsengang am 25. Juli vergleichsweise gut.
Die Schwäche des saudischen Aktienindex fällt umso mehr ins Auge, da andere Märkte in der Region eine deutlich bessere Performance an den Tag legen. Der FTSE Kuwait Index etwa legte seit Jahresbeginn um knapp 19 % zu, der FTSE NASDAQ Dubai UAE 20 Index AED sogar um mehr als 23 %. Im MSCI-Index gehören saudische Unternehmen zu den zehn schlechtesten Performern.
Sonntag meldete der Börsenbetreiber Saudi Tadawul Group einen Rückgang der Umsätze um 13 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum und begründete dies mit den um ein Drittel gesunkenen durchschnittlichen Handelswerten.
Ausgabenkürzungen befürchtet
Mohammed al-Suwayed, Vorstandsvorsitzender der Investmentberatungsgesellschaft Razeen Capital aus Riad, sieht die Sorgen der Anleger im Hinblick auf staatliche Ausgabenkürzungen als ursächlich für die Marktschwäche an. So werde befürchtet, die Regierung könnte aufgrund der niedrigen Ölpreise ihre expansive Politik der letzten Jahre im Rahmen ihres Programms zur wirtschaftlichen Diversifizierung (Vision 2030) aufgeben und wie in früheren Zeiten mit Ausgabenkürzungen auf die niedrigen Ölpreise reagieren. Das Programm Vision 2030 hatte die saudische Wirtschaft lange stimuliert.
Der saudische Finanzminister Mohammed Al-Jadaan hatte explodierender Kosten und niedriger Ölpreise angekündigt, seine Ausgabenprioritäten prüfen zu wollen.
"Das Problem liegt in dieser Ungewissheit: Wird Saudi-Arabien seine Reaktion auf den Ölpreisverfall ändern oder nicht?", so al-Suwayed. Besonders wichtig ist die Antwort auf diese Frage für Banken, Ölfirmen und Petrochemiekonzerne - die an der saudischen Börse von besonderem Gewicht sind.
Aktuell verschuldet sich das Königreich in hohem Tempo. Im Jahr 2024 war das Land der größte staatliche Emittent externer Anleihen in den Schwellenländern - was sich dieses Jahr wiederholen könnte. Dadurch steigen die Verbindlichkeiten der Golfmonarchie weiter. Zwar ist eine Schuldenkrise aufgrund des noch immer niedrigen Schuldenstands und der Devisenreserven der Zentralbank in Höhe von 415 Mrd. USD nicht absehbar.
Saudi-Arabiens Verschuldung könnte teurer werden
Doch die Verschuldung könnte bald teurer werden. Saudische Anleihen mit 30-jähriger Laufzeit werden derzeit mit einer Rendite von rund 6 % gehandelt - nur etwa ein Prozentpunkt mehr als vergleichbare US-Staatsanleihen. Dan Worth, Partner bei dem Schwellenländer-Hedgefonds Broad Reach sagt: "Wir glauben, dass die saudischen Schulden falsch bewertet sind. Wir gehen davon aus, dass es irgendwann zu Verdauungsstörungen kommen wird."
Dass sich Saudi-Arabien zur Finanzierung zunehmend auf ausländisches Kapital (und nicht mehr nur auf Öl) stützt, ist an einer anderen Entwicklung abzulesen: Im vergangenen Jahr kehrte sich ein langjähriger Leistungsbilanzüberschuss in ein Defizit um. Außerdem waren die Nettoauslandsaktiva der saudischen Banken im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit 1993 negativ, da die Institute zur Finanzierung ihrer Kredite im Inland mehr Kredite im Ausland aufnahmen.