
Schnäppchenzeit?: Der DAX lebt von SAP, während die alte deutsche Industrie fundamental unterbewertet ist
Die SAP Aktie steigt so stark, dass nun neue DAX-Indizes mit höherer Kappungsgrenze aufgelegt werden. Andere deutsche Industrietitel zeigen zwar wesentlich weniger Momentum, dafür aber sehr günstige Bewertungen.
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Der deutsche Aktienmarkt läuft – zumindest im Bereich der Blue Chips – erstaunlich gut. Der DAX hat allein seit Jahresbeginn um fast 13 % zugelegt, in den vergangenen zwölf Monaten belief sich das Plus auf mehr als 33 %.
Ein Großteil der Performance geht jedoch auf die Softwareschmiede SAP (ISIN: DE0007164600, WKN: 716460) zurück. Das Plus beträgt hier seit Jahresbeginn 17,5 % und auf Sicht der letzten zwölf Monate sogar mehr als 72 %. Mit einer Marktkapitalisierung von 344,3 Mrd. EUR sind die Walldorfer das wertvollste deutsche Unternehmen.
Neue DAX-Indizes lassen SAP Aktie mehr Raum
SAP ist so wertvoll, dass die Deutsche Börse Tochter Stoxx sogar zwei neue DAX-Versionen eingeführt hat. Die neuen Varianten unterscheiden sich bei der Kappungsgrenze, also dem maximalen Gewicht, mit dem eine einzelne Aktie bei der Indexberechnung berücksichtigt wird. Beim klassischen DAX liegt diese Obergrenze bei 15 %.
Nun wurde eine Uncapped-Version ohne Kappungsgrenze sowie eine neue Dax-20%-Version mit einer Kappungsgrenze für Einzelwerte bei 20 % eingeführt. Der Hintergrund ist regulatorischer Natur: Laut Veronika Kylburg, Head of Global Benchmarks bei Stoxx, sind die neuen Varianten auf Investoren zugeschnitten, die "nicht an die Vorgaben der EU-OGAW-Richtlinie bezüglich der Kappung gebunden sind und die größten deutschen Unternehmen abbilden wollen." Der Fondsrichtlinie UCITS zufolge können ETFs bis zu 20 % ihres Vermögens in Einzelwerte investieren.
Im Schatten des Überfliegers SAP folgen die Deutsche Telekom (ISIN: DE0005557508, WKN: 555750), Allianz (ISIN: DE0008404005, WKN: 840400) und Siemens (ISIN: DE0007236101, WKN: 723610) mit einer ebenfalls ansehnlichen Performance. Dahinter jedoch darbt die alte deutsche Industrie, die mit hohen Energiekosten, viel Bürokratie, De-Globalisierung und vielen weiteren Baustellen kämpft.
Viele dieser deutschen Industrieunternehmen sind an der Börse unterbewertet. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls eine Analyse von Morningstar. Diese sieht insbesondere Mercedes (ISIN: DE0007100000, WKN: 710000), E.ON (ISIN: DE000ENAG999, WKN: ENAG99), VW (ISIN: DE0007664039, WKN: 766403), RWE (ISIN: DE0007037129, WKN: 703712) und Bayer (ISIN: DE000BAY0017, WKN: BAY001) auf einem günstigen Niveau gehandelt.
Sind deutsche Blue Chips ein Schnäppchen?
Der faire Wert der Mercedes-Benz-Group liegt Morningstar Analystin Antje Schiffler zufolge bei 106 EUR. Der aktuelle Aktienkurs: 61 EUR. Die E.ON Aktie notiert aktuell bei 11,50 EUR. Der faire Wert laut Morningstar liegt mit 17 EUR deutlich darüber. VW wäre den Analysten des Hauses zufolge mit 264 EUR pro Aktie fair bewertet, kostet derzeit an der Börse aber nur knapp 100 EUR. Auch RWE (28 EUR Aktienkurs vs. 48 EUR fairer Wert) und Bayer (21,50 EUR vs. 45 EUR) sind demnach derzeit günstig zu haben.
Natürlich sehen sich alle vorgenannten Titel gewissen Risiken und Herausforderungen gegenüber – die deutsche Wirtschaft ist nicht umsonst das europäische Schlusslicht. Bestimmte Sorgen aber könnten übertrieben sein; erklärt Morningstar-Automobilanalystin Rella Suskin im Hinblick auf die befürchtete Einführung von Zöllen.
"Die meisten Automobilhersteller haben ihre Produktionsbasis seit vielen Jahren diversifiziert, um die Produktion an die Region anzupassen, in der die Fahrzeuge verkauft werden." Mercedes und BMW hätten dies am besten getan, indem sie ihre Verkäufe in den USA an die Produktion anpassten.