
Nach Verlust-Studie: Bafin will Kleinanleger vor Turbo-Zertifikaten schützen
3,4 Mrd. EUR haben deutsche Anleger einer Bafin-Studie zufolge mit Turbo-Zertifikaten verloren. Die Behörde will die Hebelprodukte nun strenger regulieren. Das könnte zum Ende beliebter Gebührenmodelle im außerbörslichen Handel führen.
Lesezeit 5 min
Die Finanzaufsicht BaFin plant, die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Turbo-Zertifikaten an Privatanleger strenger zu reglementieren. Als Grund führt die Behörde eine eigene Untersuchung an, der zufolge Anleger erhebliche Verluste mit KO-Zertifikaten und anderen Produkten erlitten haben.
Drei von vier Anlegern erlitten mit Hebelprodukten Verluste
Der Studie zufolge haben 74,2 % der Anleger beim Handel mit Turbo-Zertifikaten Verluste erlitten. Im Durchschnitt beliefen sich die Verluste auf 6.358 EUR. "Insgesamt summierten sich ihre Verluste über einen Zeitraum von fünf Jahren auf über 3,4 Mrd. EUR", heißt es bei der Bafin. Die Studie bezieht sich auf den Zeitraum von 2019 bis 2023.
Verboten werden Knock-Outs jedoch nicht. Die Regulierungsbehörde will lediglich mehr Warnungen vorschreiben, die KYC-Auflagen verschärfen und einzelne Vertriebspraktiken untersagen.
So soll es künftig in jeder Mitteilung zur Vermarktung, zum Vertrieb und zum Verkauf von Turbo-Zertifikaten eine Risikowarnung geben. Aus dieser muss hervorgehen, dass sieben von zehn Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern Verluste erleiden, wenn sie mit Turbo-Zertifikaten handeln.
Boni als Anreize für den Handel mit Turbo-Zertifikaten sollen verboten werden. Das soll für monetäre und nicht-monetäre Vorteile gelten und bezieht z. B. auch Rabatte auf Ordergebühren, Neukundenboni, priorisierten Kundenservice und Geschenke mit ein.
Außerdem müssen Anleger vor der Freischaltung des Handels einen Wissenstest mit sechs Fragen absolvieren, der alle sechs Monate wiederholt werden muss.
"Kleinanleger sind sich über die Risiken dieser Produkte nicht im Klaren"
"Viele Kleinanleger sind sich über die Risiken dieser Produkte nicht vollständig im Klaren", sagte Bafin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch dem Handelsblatt. Er kritisierte zudem, dass etwa 70 % der Turbo-Zertifikate weniger als 24 Stunden gehalten werden. "Das ist näher am Glücksspiel als an langfristiger Vermögensanlage", so Pötzsch.
Für die Banken lohne sich das Geschäft aufgrund hoher Margen und reger Handelsaktivität. Tatsächlich bewerben viele Broker den Handel mit KO-Zertifikaten intensiv. Dies gilt besonders für den außerbörslichen Handel mit den Produkten, bei dem die Emittenten als Market Maker fungieren und An- und Verkaufskurse stellen.
Hier gelten die Margen als besonders hoch, wovon Broker durch Vertriebsvereinbarungen mit Emittenten profitieren. Die ausgewiesenen Orderentgelte fallen dann typischerweise sehr niedrig aus bzw. Ordergebühren werden gar nicht berechnet. Diese Konstellation könnte direkt von der Intervention der Bafin betroffen sein.
Pötzsch glaubt, dass sich viele Anleger der mit den Produkten verbundenen Risiken nicht bewusst sind. Anders lasse sich nicht erklären, dass der Handel trotz der hohen Verlustquote so boome.
Von 2019 bis 2023 hätten 543.000 Privatkunden insgesamt 113 Millionen Transaktionen getätigt. "Je mehr Transaktionen ein Kleinanleger tätigte, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass er einen Verlust erlitt" so der Beamte gegenüber dem Handelsblatt.
Vollständiges Verbot droht nicht
Ein vollständiges Verbot von Hebelprodukten droht allerdings nicht. "Ein Totalverbot ist weder verhältnismäßig noch geboten", relativierte Pötzsch. So gravierende Eingriffe in den Markt gebe es auch im europäischen Ausland nicht.
Dass die Bafin sich bei der Verschärfung der Regulierung vor allem auf Risikowarnungen, Gebühren, Incentives und Wissenstests stützt, den in den Produkten integrierten Hebel aber offenbar nicht regeln will, ist vor dem Hintergrund der einige Jahre zurückliegenden CFD-Regulierung interessant.
Die europäische Wertpapieraufsicht war zu der Erkenntnis gelangt, dass ein großer Teil der Anleger mit CFDs Geld verliert – und zwar ein ähnlich hoher Anteil wie ihn nun die Bafin für Hebel-Zertifikate in ihrer Studie ermittelt hat. Im Zentrum der Neuregulierung von CFDs stand jedoch eine Begrenzung der Hebelwirkung. So muss die Initial Margin bei Major FX Kontrakten seitdem mindestens 3,33 % betragen. Bei allen anderen Basiswerten liegt die mindestens durch CFD Broker einzufordernde Initial Margin höher, z.B. 20 % bei Aktien und 50 % bei Kryptowährungen.