
Investor Woche: Zoll-Unsicherheit geht weiter, Sorgen um Mar-a-Lago durch die Hintertür, Platin bricht aus, Tesla und NVIDIA nach den Zahlen
Eine Passage in Trumps Steuergesetz alarmiert die Märkte: Von Mar-a-Lago-Accord durch die Hintertür ist bereits die Rede. Die US-China-Verhandlungen verlaufen schleppend. Europa erwartet günstige Inflationsdaten. Tesla kämpft mit Absatzrückgängen, NVIDIA überzeugt den Markt einmal mehr, Platin sendet Vitalitätszeichen.
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Marktentwicklung
Ein Gericht hatte zwischenzeitlich die Einfuhrzölle von US-Präsident Trump blockiert, ein Berufungsgericht diesen Beschluss aber in Rekordzeit wieder gekippt: Die Märkte zeigten sich nur begrenzt beeindruckt. Dass Gerichte den Handelsstreit beenden, gilt als sehr unwahrscheinlich.
Die Märkte steuern auf das Ende einer moderat freundlichen Woche zu. Am Freitagmittag notierte der DAX gut ein halbes Prozent im Plus. Der NASDAQ-100 unternahm zur Wochenmitte einen Anlauf auf 24.000 Punkte, gab einen Großteil der Gewinne aber wieder ab. Der S&P 500 konnte in dieser Woche rund 2 % zulegen, Gold notiert um 3.300 USD, die 10-jährigen US-Anleiherenditen liegen wieder unter 4,5 %.
Top-Meldungen
USA beschränken Chipsoftware-Verkauf nach China, Verhandlungen stocken
Die US-Regierung will den Verkauf von Software zur Entwicklung von Halbleitern nach China einschränken, um die Chip-Entwicklung in der Volksrepublik zu bremsen. Dies berichtet jedenfalls das Handelsblatt unter Berufung auf Siemens. Demnach ist der Verkauf von sogenannter Electronic-Design-Automation-Software (EDA) fortan untersagt.
Die Entwicklung ist heikel, befinden sich die USA und China doch derzeit in Verhandlungen um Zölle. Das EDA-Exportverbot dürfte China hart treffen. Die überwiegende Mehrheit der chinesischen Chipdesign-Unternehmen sei auf die EDA-Werkzeuge aus den USA angewiesen, sagt jedenfalls Jost Wübbeke vom auf China spezialisierten Beratungsunternehmen Sinolytics. Entsprechend hart könnten die Gegenmaßnahmen ausfallen.
US-Finanzminister Scott Bessent zufolge sind die Verhandlungen zwischen Washington und Peking ins Stocken geraten. Er hält ein Treffen der beiden Präsidenten für notwendig.
Wall Street sorgt sich um Abschnitt 899 in Trumps Steuergesetz
Ganz plötzlich richtet sich viel Aufmerksamkeit auf Abschnitt 899 des vorgeschlagenen Haushaltsgesetzes "One Big Beautiful Bill", das durch das Repräsentantenhaus letzte Woche verabschiedet worden war und nun im Senat beraten wird.
Der Passus ebnet den Weg für die Erhebung höherer Quellensteuern auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren von bis zu 30 % auf nicht-US-Personen aus Ländern, die aus US-Sicht als unfair empfundene ausländische Steuermaßnahmen verhängt haben.
"Dies erinnert an einige der Maßnahmen, die als Teil eines 'Mar-a-Lago-Abkommens' ins Gespräch gebracht wurden und über Zölle auf Waren hinausgehen, wie z. B. die Einführung einer 'Nutzungsgebühr' für ausländische Staatsanleihen", schreibt Namik Immelbäck von SEB Research in einer Notiz.
Die Financial Times zitiert einen ranghohen Wall Street-Banker: "Das ist eine der beunruhigendsten Ideen, die dieses Jahr aus Washington kamen. Wenn sie umgesetzt wird, wird sie die ausländischen Investitionen in den USA definitiv dämpfen." Morgan Stanley sieht durch Abschnitt 899 den Druck auf den USD wachsen, JP Morgan warnt vor "erhebliche Auswirkungen sowohl auf US-amerikanische als auch auf ausländische Unternehmen."
Der Abschnitt würde in seiner derzeitigen Fassung die meisten EU-Länder, Großbritannien, Australien, Kanada und weitere Länder betreffen und für ausländische Investoren die Steuern auf Dividenden und Zinsen aus US-Aktien und bestimmten Unternehmensanleihen vier Jahre lang jährlich um fünf Prozentpunkte erhöhen. Die Steuer könnte auch auf US-Anleihen in Portfolios von Staatsfonds anfallen.
Rückgang der Inflation in Europa erwartet
Die neuesten Inflationsdaten der Eurozone werden von Eurostat am 3. Juni veröffentlicht, zwei Tage vor der EZB-Zinssitzung. Der FactSet-Konsensschätzung zufolge lag die Teuerungsrate im Mai im Jahresvergleich bei 1,9 % und damit niedriger als im April und unter dem Inflationsziel der EZB. Die Kerninflation wird auf 2,3 % geschätzt (April: 2,7 %).
Tesla enttäuscht – vor allem in Europa
Tesla (ISIN: US88160R1014, WKN: A1CX3T) hat ein Absatzproblem: Vor allem in Europa sind die Verkäufe stark rückläufig. Laut den neusten Zahlen des ACEA sank die Anzahl der verkauften Fahrzeuge im April in der Europäischen Union, im Vereinigten Königreich und in den Ländern der EFTA um fast 50 %. Damit sind die Verkäufe im April in den drei wichtigsten Märkten USA, China und Europa geschrumpft. Damit zeichnet sich eine Festigung des Abwärtstrends ab: Im ersten Quartal hatte CEO Elon Musk einen Rückgang um 13 % gegenüber dem Vorjahr einräumen müssen.
Hoffnung macht Anlegern der für den 12. Juni angekündigte Start des Robotaxi-Dienstes in Austin in Texas. Wie Bloomberg berichtete, hat Tesla bereits seinen ersten autonomen Test auf öffentlichen Straßen in Austin mit einem Ingenieur auf dem Beifahrersitz durchgeführt.
Unter der Lupe
NVIDIA nach den Zahlen
Die NVIDIA (ISIN: US67066G1040, WKN: 918422) Aktie legte nach der Bekanntgabe der Quartalszahlen deutlich zu. Das Unternehmen meldete für das erste Quartal einen Umsatz von 44,1 Milliarden USD: Ein Zuwachs um 69 %, der höher lag als die Erwartungen des Marktes (+66 %). Beim Gewinn je Aktie meldete der Konzern 0,96 USD und übertraf auch damit die Prognosen der Analysten (0,88 USD).
Für das zweite Quartal wird ein Umsatz von 45 Mrd. USD prognostiziert. Beide Zahlen berücksichtigen Umsatzeinbußen in China aufgrund der US-Exportkontrollen (insbesondere das Verkaufsverbot für H20 Chips).
Der Umsatz der Rechenzentren im ersten Quartal stieg um 73 % auf 39,1 Milliarden USD. Fast 70 % des Umsatzes wurden mit den neuesten Blackwell-Produkten erzielt. Die Gaming-Umsätze des Unternehmens stiegen um 42 % im Vergleich zum Vorjahr.
"Mit Blick auf die langfristige Nachfrage sind die US-Vereinbarungen mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zum KI-Ausbau für Nvidia und seine KI-Konkurrenten vielversprechend", heißt es in einem aktuellen Bericht von Morningstar, das den fairen Wert der NVIDIA Aktie auf 140 USD anhob. 53 von 71 durch das Wall Street Journal beobachtete Analysten empfehlen die Aktie aktuell zum Kauf.
NVIDIA Präsident und CEO Jensen Huang plant allerdings, in diesem Jahr Aktien im Wert von über 800 Millionen USD zu verkaufen.
Chart der Woche
Platin kostet mehr als 1.000 USD
Der Platinpreis könnte aus einer sehr langfristigen seitlichen Konsolidierungsformation nach oben ausbrechen. Aktuell kostet eine Feinunze rund 1.080 USD. Um 1.100 USD liegen signifikante charttechnische Widerstände.
"Das Defizit auf dem Platinmarkt dürfte sich 2025 aufgrund einer Erholung der Automobilnachfrage und eines Rückgangs des Primärangebots ausweiten", heißt es im aktuellen Platinmarkt-Bericht von Heraeus.
Für dieses Jahr wird ein Rückgang des Platinangebots um 4 % auf 5.295 Koz prognostiziert, was hauptsächlich auf geringere Fördermengen in Südafrika und Nordamerika zurückzuführen ist. Für dieses Jahr wird aufgrund des höheren Verbrauchs in der Automobilindustrie eine Erholung der Bruttoplatin-Nachfrage auf 7.205 Unzen prognostiziert.
Die Bestände an Platin-ETFs stiegen im Jahr 2024 um 270 Koz auf fast 3,2 Moz. Vor allem Fonds in den USA und Großbritannien verzeichneten erhebliche Zuflüsse. In Japan kam es dagegen aufgrund der Abwertung des Yen zu Käufen.
Die Politik im Weißen Haus ist für den Platinmarkt aktuell sehr wichtig und zugleich der größte Unsicherheitsfaktor: Werden Emissionsvorschriften gelockert, könnte dies die Nachfrage aus dem Automobilsektor antreiben. Umgekehrt hat Trump Einfuhrzölle in Höhe von 25 % auf Autos und Autoteile eingeführt.

Bildquelle: Tradingview
Fun Facts
Die älteste noch bestehende Wertpapierbörse in Europa ist Amsterdam
An der Amsterdamer Börse wurde 1612 der Handel mit Wertpapieren aufgenommen. Die Börse existiert bis heute, ging allerdings 2000 in der NYSE Euronext auf.
Bulle und Bär beziehen sich auf Kampfstil der Tiere
Bullenmarkt und Bärenmarkt: Diese Begriffe beziehen sich auf den Kampfstil der Tiere. Ein Bulle stößt mit seinen Hörnern von unten nach oben, ein Bär drückt mit seinen Pranken von oben nach unten.