
Edelmetalle im Höhenflug: Angebotsdefizit treibt Silberkurs in Rekordregionen
Der Silberpreis hat Gold im Jahresverlauf deutlich übertroffen. Knappes Angebot, starke Industrienachfrage und Spekulation treiben die Rally an. Doch Experten warnen vor plötzlichen Rückschlägen.
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Während Gold im Jahr 2025 Rekordpreise erreicht, zieht ein anderes Edelmetall überraschend davon: Silber. Seit Jahresbeginn legte der Preis um rund 70 % zu und nähert sich der Marke von 50 USD je Unze. Gold stieg im selben Zeitraum um etwa 53 % auf rund 4.000 USD. Der Markt erlebt einen der stärksten Anstiege seit mehr als einem Jahrzehnt.
Knappes Angebot trifft auf hohe Industrienachfrage
Treibende Kraft hinter der Silberrally ist ein strukturelles Angebotsdefizit. Nach Angaben des Silver Institute übersteigt die weltweite Nachfrage seit 2021 regelmäßig das kombinierte Volumen aus Minenförderung und Recycling. Rund 80 % der jährlichen Silberproduktion fallen als Nebenprodukt bei der Gewinnung anderer Metalle wie Kupfer, Zink oder Nickel an.
Da viele Bergbaukonzerne angesichts unsicherer Konjunkturaussichten - insbesondere in den USA - vorsichtig planen, bleibt das Angebot begrenzt. "Solange es keine breitere Erholung bei den anderen Basismetallen gibt, dürfte sich das Defizit bei Silber fortsetzen", sagte Nitesh Shah, Rohstoffexperte bei WisdomTree, gegenüber Zeit Online.
Parallel dazu wächst die industrielle Nachfrage. Besonders die Solarindustrie ist ein Schlüsselfaktor: Etwa 20 % der weltweiten Silbernachfrage stammen laut dem Analysehaus Metals Focus aus der Photovoltaik. In Elektrofahrzeugen wird zunehmend mehr Silber verbaut, zwischen 25 und 50 Gramm pro Auto, während Verbrenner mit deutlich weniger auskommen.
Spekulanten verstärken die Preisdynamik
Neben Fundamentaldaten spielt Spekulation eine wachsende Rolle. Große Fonds und institutionelle Investoren halten inzwischen rund zehn Prozent des weltweiten Silbers in Tresoren. Laut Carsten Menke von der Privatbank Julius Bär ist die aktuelle Preisrally "sehr klar von Investoren und Spekulanten getrieben".
Marktteilnehmer verweisen auf drei Faktoren, die das Edelmetall besonders attraktiv machen: sinkende US-Leitzinsen, eine mögliche chinesische Konjunkturstützung und den schwächelnden US-Dollar. Diese Kombination könnte den Silberkurs weiter antreiben - vorausgesetzt, das Vertrauen in die weltwirtschaftliche Stabilität bleibt bestehen.
Anlagemöglichkeiten und steuerliche Hürden
Anleger, die von der Entwicklung profitieren möchten, können physisches Silber oder börsengehandelte Schuldverschreibungen (ETCs) erwerben. Physische Käufe sind jedoch teuer: Auf einen Kilobarren schlagen Händler derzeit teils rund 25 % Aufgeld. Zudem fällt im Gegensatz zu Gold in der Regel Mehrwertsteuer an.
Günstiger sind Silber-ETCs wie jene von iShares oder Invesco, die meist durch physische Bestände hinterlegt sind. Anleger tragen hier jedoch ein Emittentenrisiko, da es sich rechtlich um Schuldpapiere handelt. Manche Anbieter wie WisdomTree erlauben theoretisch eine physische Auslieferung des Silbers ab einem Kilogramm, was steuerliche Vorteile bringen kann - eine höchstrichterliche Klärung steht allerdings noch aus.
Volatilität bleibt das größte Risiko
Historisch zeigt sich der Silbermarkt besonders anfällig für extreme Schwankungen. Bereits zweimal - Ende der 1970er Jahre und 2011 - stürzte der Preis nach einem Anstieg auf rund 50 USD je Unze massiv ab. "Der Silbermarkt ist nur ein Zehntel so groß wie der Goldmarkt", erklärte Menke. "Das macht die Preise anfälliger für starke Bewegungen."
Während Gold oft als Krisenversicherung gilt, reagiert Silber stärker auf Konjunkturzyklen und industrielle Trends. Die Volatilität liegt ähnlich hoch wie bei Schwellenländeraktien. Fachleute sehen das Metall daher weniger als Diversifikationsinstrument, sondern eher als spekulativen Rohstoff.
Trotzdem bleibt Silber für viele Investoren attraktiv - als Bindeglied zwischen Edelmetall und Industriematerial, das sowohl von technologischen als auch von monetären Trends profitiert. Ob der aktuelle Höhenflug nachhaltig ist, hängt nun davon ab, wie lange Nachfrage, Spekulation und Zinsentwicklung gemeinsam wirken.
Unternehmen als Hebel auf den Silbertrend
Wer über die reine Metallanlage hinausblickt, findet im Silbersektor eine breite Auswahl an Produzenten, Entwicklern und Explorern. Solche Beteiligungen gelten als spekulativer, bieten aber einen Hebel auf den Metallpreis: Steigt der Silberkurs, weiten sich die Margen der Förderunternehmen oft überproportional aus. Der Markt für Minengesellschaften bildet damit eine zweite Ebene der Wertschöpfung - eine, die stärker schwankt, aber auch größere Chancen eröffnet.
Unter den etablierten Produzenten zählt Hecla Mining (ISIN: US4227041062, WKN: 854693) zu den wichtigsten Akteuren in Nordamerika. Das Unternehmen betreibt unter anderem die Greens-Creek-Mine in Alaska, eine der produktivsten Silberminen der westlichen Hemisphäre, und profitiert von vergleichsweise niedrigen Förderkosten. Auch Fresnillo (ISIN: GB00B2QPKJ12, WKN: A0MVZE) als größter primärer Silberproduzent Mexikos bleibt für Investoren ein Referenzwert, weil das Unternehmen über Jahrzehnte stabile Produktion und Explorationskompetenz kombiniert.
First Majestic Silver (ISIN: CA32076V1031, WKN: A0LHKJ) steht mit mehreren Minen in Mexiko für einen direkten Zugang zum Silberpreis. Das Unternehmen hat sich durch eine konsequente Ausrichtung auf Edelmetalle einen Namen gemacht, muss aber mit den typischen Herausforderungen lateinamerikanischer Förderstandorte umgehen: schwankende Genehmigungsverfahren, volatile Energiekosten und teils wechselhafte Rechtsrahmen.
Neue Projekte und Explorer rücken ins Blickfeld
Neben diesen etablierten Produzenten drängen kleinere Entwickler und Explorationsgesellschaften an die Oberfläche, die sich in frühen Phasen der Wertschöpfung befinden. Nach Einschätzung von Analysten können sie bei Entdeckung neuer Lagerstätten oder Ressourcenerweiterungen schnell an Marktwert gewinnen - vorausgesetzt, sie sichern sich Kapital und geologische Bestätigung. Dazu zählen Unternehmen wie Aftermath Silver (ISIN: CA00831V2057, WKN: A2DMFN), Magma Silver (ISIN: CA5589221004, WKN: A411DV) und Regency Silver (ISIN: CA75889D2086, WKN: A41DJN). Ihre Projekte befinden sich überwiegend in rohstoffreichen Regionen Nord- und Südamerikas, in denen neue Vorkommen mit modernen Explorationsmethoden erschlossen werden sollen.
Auch Prismo Metals (ISIN: CA74275P1071, WKN: A2QEGD) sollte man auf dem Radar haben, das im US-Bundesstaat Arizona das Silver-King-Projekt vorantreibt. Erste Bohrergebnisse deuten auf hochgradige Silbervererzungen hin. Laut Unternehmensangaben wurden dort mehrfach Gehalte von über 600 Gramm Silber pro Tonne Gestein identifiziert. Solche Werte wecken in der Explorationsbranche regelmäßig Erwartungen, dass ein kleiner Akteur zu einem Übernahmeziel größerer Bergbauunternehmen werden könnte - ein Szenario, das in der Vergangenheit bereits mehrfach zu deutlichen Kurssteigerungen führte.
Hohe Volatilität und selektive Chancen für langfristige Anleger
Analysten sehen in diesem Marktsegment jedoch ebenso hohe Risiken. Neben der Rohstoffpreisabhängigkeit bestimmen Finanzierungskosten, Managementqualität und geopolitische Faktoren über Erfolg oder Scheitern. Gerade bei Junior-Explorern kann sich der Kurs binnen Wochen vervielfachen oder halbieren. Der Silbermarkt verstärkt solche Ausschläge zusätzlich, weil seine Größe nur etwa ein Zehntel des Goldmarkts beträgt und wenige Marktakteure mit großen Positionen ausreichen, um spürbare Kursbewegungen auszulösen.
Trotzdem locken die Chancen. Wer an eine langfristig anhaltende Industrialisierung in den Bereichen Solarenergie, Elektromobilität und Elektronik glaubt, könnte in Silberunternehmen einen diversifizierten Zugang zu diesem Trend sehen. Produzenten wie Hecla oder Fresnillo profitieren unmittelbar vom steigenden Metallpreis, während Entwickler und Explorer wie Prismo Metals oder Regency Silver auf Entdeckungen setzen, die künftige Versorgung sichern könnten.
Für erfahrene Anleger, die zyklische Schwankungen aushalten können, bleibt der Aktiensektor rund um Silber eine spekulative, aber potenziell renditestarke Ergänzung zum physischen Edelmetall. Ob die aktuellen Rekordpreise die Grundlage für einen neuen Investitionszyklus bilden oder lediglich eine Momentaufnahme bleiben, entscheidet sich daran, wie beständig die Nachfrage nach dem grauen Metall tatsächlich wächst - und welche Unternehmen das Momentum in nachhaltigen Erfolg umwandeln können.

