
Kreditklemme voraus?: EZB hält vorerst still, Bundesbank sieht Liquidität knapp werden
Die Zinsen in Europa werden vorerst nicht weiter sinken. Zudem sinkt die Überschussliquidität im Bankensystem immer weiter. Droht eine Kreditklemme?
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Weitere Zinssenkungen stehen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) vorerst offenbar nicht auf dem Plan. Dies legen jüngste Äußerungen auf höchster Ebene nahe. EZB-Direktorin Isabel Schnabel etwa äußerte vor einigen Tagen: "Dieser geldpolitische Zyklus kommt zum Ende, da sich die mittelfristige Inflation um das Ziel herum stabilisiert."
Tatsächlich hatte die EZB ihre Prognosen zur Teuerungsrate zuletzt gesenkt. Für dieses Jahr werden 2,0 %, für das kommende Jahr 1,6 % erwartet. Zum Abflauen der Teuerung tragen niedrige Rohstoffpreise ebenso bei wie die Aufwertung des EUR am Devisenmarkt, die Einfuhren verbilligt.
Schnabel ging sogar noch einen Schritt weiter, indem sie prognostizierte, die Inflation werde zeitweise unter 2 % - und damit das ausgewiesene Ziel der EZB – fallen. Dass sie dennoch keinen Anlass für weitere Zinssenkungen sieht, lässt durchblicken, dass sich die Meinungen in der EZB in dieser Hinsicht bereits verfestigt haben.
Auch Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sieht keinen Bedarf für weitere Zinssenkungen. Er verwies auf die zurückliegenden acht Zinssenkungen und sieht die Geldpolitik dort, "wo wir glauben, dass sie hingehört". Das gegenwärtige Zinsniveau sei gut dazu geeignet, auf unterschiedlichste Entwicklungen reagieren zu können.
Die Märkte preisen derzeit noch eine weitere Zinssenkung bis zum Jahresende ein. Diese wird allerdings frühestens im September und keinesfalls bei der nächsten Sitzung im Juli erwartet.
Bundesbank sieht Zeitalter der Überschussliquidität am Ende
Die Bundesbank indes prognostiziert in ihrem Monatsbericht für Juni, dass das Zeitalter der Überschussliquidität bald sein Ende erreichen dürfte.
Der Bericht verweist auf vergangene Maßnahmen des Quantitative Easing "zur Aufrechterhaltung günstiger Kreditvergabekonditionen der Banken und zur reibungslosen Transmission der Geldpolitik." Dazu zählten etwa gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte und Asset Purchase Programme ab 2014 und das 2020 ins Leben gerufene Pandemic Emergency Purchase Programm.
Der Bericht konstatiert: "Durch die geldpolitischen Sondermaßnahmen (…) wurde erheblich mehr Zentralbankliquidität geschaffen, als zur Erfüllung der Mindestreserve und zur Deckung des Liquiditätsbedarfs aus autonomen Faktoren erforderlich ist." Die durch diese Maßnahmen entstandene Überschussliquidität erreichte im November 2022 ihren Höchstwert mit 4 658 Mrd. EUR. Im Mai 2025 waren es noch 2.754 Mrd. EUR.
Diese Überschussliquidität werde von Banken je nach Zinsbedingungen entweder in der Einlagefazilität oder auf sonstigen Konten bei der nationalen Zentralbank gehalten. Mit der Rückführung der Sondermaßnahmen und dem Abbau geldpolitischer Portfolios werde die Überschussliquidität in den kommenden Jahren jedoch zurückgehen.
Der Trend weist weiterhin abwärts: Das Eurosystem schätzt die Überschussliquidität Ende 2027 auf etwa 1 500 Mrd. EUR.
Droht eine Kreditklemme?
Sie könnte deshalb das konjunkturpolitische Schlagwort der kommenden Monate werden: Die Kreditklemme. Der Begriff bezeichnet eine erschwerte Kreditvergabepraxis durch Banken. Diesen mangelt es an Liquidität, sodass Kredite nur unter erhöhten Auflagen ausgereicht werden.
Dies gilt für das Geschäft mit Verbraucherkrediten ebenso wie in der Unternehmensfinanzierung. Der digitale KMU-Kreditgeber iwoca veröffentlicht im Rahmen des "KMU-Index" regelmäßig ein Kreditbarometer. Diesem zufolge vergeben Banken immer seltener Kredite.
Deutlich wird dies etwa an der Befragung von KMUs zur Anzahl der eingereichten Kreditanträge für unbesicherte Finanzierungen. 47 % der Befragten gaben an, in den letzten drei Monaten mehr Anträge eingereicht zu haben als in den drei Monaten zuvor: Der höchste Wert seit Beginn der Datenreihe im ersten Quartal 2023.