
Fed-Unabhängigkeit: Unterschätzen die Märkte die Bedeutung des Falls Lisa Cook?
Donald Trump will Notenbankgouverneurin Lisa Cook entlassen, die sich entschieden wehrt. Banken und Analysten warnen vor dem Verlust der Unabhängigkeit der Fed und den Folgen für Inflation, Wachstum und Dollar. Die Märkte scheinen bislang nur wenig beunruhigt.
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Donald Trumps Vorgehen stellt die Unabhängigkeit der US-Notenbank Federal Reserve in Frage. In einem am Montag in den sozialen Medien veröffentlichten Brief teilte Trump der durch die Regierung Joe Biden ernannten Notenbankgouverneurin Lisa Cook mit, dass - bislang unbewiesene - Vorwürfe des Hypothekenbetrugs ausreichender Grund für eine Entlassung seien.
Cook, deren Amtszeit regulär 2038 endet,entgegnet, dass es "dafür rechtlich keinen Grund gibt und er dazu nicht befugt ist" - und kündigt über ihren Anwalt Abbe Lowell eine Klage an, die sehr wahrscheinlich vor dem Supreme Court landen wird.
Fall Lisa Cook dürfte vor dem Supreme Court landen
In den USA tobt seit dem Amtsantritt Donald Trumps eine Diskussion um die Grenzen der Befugnisse des Präsidenten. Darf ein Präsident Beamte einfach so entlassen? Klar ist die Sachlage nicht. Einige durch Trump entlassene Beamte konnten vor Gericht zumindest zeitweise den Verbleib in ihren Jobs erwirken, berichtet etwa das Wall Street Journal.
"Doch in zwei Verfügungen in diesem Frühjahr hat der Oberste Gerichtshof Trump selbst die Entlassung der Beamten vorerst gestattet und signalisiert, dass man bereit sei, eine 90 Jahre alte Entscheidung zu überdenken, die die Befugnisse des Präsidenten zur Entlassung einschränkt", heißt es in dem - bei Trump in Ungnade gefallenen - Blatt weiter.
Im Fall Lisa Cook gilt: Bleibt es bei unbewiesenen Vorwürfen und kommt es zu einer nicht durch den Supreme Court beanstandeten Entlassung, dürften die Finanzmärkte an der Unabhängigkeit der Notenbank zweifeln.
Die Marktreaktion auf dieses monumentale Ereignis war bislang verhalten. "Trumps Versuch, Fed-Gouverneurin Lisa Cook abzusetzen, erhöht die Risikoprämie für die (möglicherweise bald mangelnde) Unabhängigkeit der Fed. Die Märkte kalibrieren sich derzeit neu, geraten aber nicht in Panik", konstatierte Ole Hansen von der Saxo Bank in einer Notiz am Dienstag.
"Zunehmend wahrscheinliche Zerstörung der Unabhängigkeit der Fed"
Andere Analysten sehen die Tragweite der gerade ablaufenden Ereignisse durch die Märkte noch nicht ausreichend berücksichtigt. Die Investmentbank Evercore ISI erklärte am Dienstag in einer Mitteilung an ihre Kunden etwa: "Die Anlagemärkte haben die zunehmend wahrscheinliche Zerstörung der Unabhängigkeit der Fed nicht angemessen bewertet."
Dabei zeichnet sich der Plan des Präsidenten ab. "Wir werden in Kürze eine Mehrheit haben. Sobald wir eine Mehrheit haben, wird sich der Wohnungsmarkt verändern, und es wird großartig werden", sagte Trump am Dienstag. Gelingt es, Cook zu ersetzen, hätte Trump vier der sieben Mitglieder des Gouverneursrats des Federal Reserve Systems ernannt.
Diese könnten zwar nicht unmittelbar Einfluss auf die Entscheidungen der Fed nehmen, da fünf der zwölf Mitglieder des Offenmarktausschusses Präsidenten der Notenbanken der Bundesstaaten sind. Der Ausschuss könnte diese Präsidenten (oder einige von ihnen) jedoch bis Anfang nächsten Jahres aus dem Amt drängen.
US-Großbanken stellen sich vor die Notenbank
Große Banken in den USA haben sich in den vergangenen Monaten klar für die Unabhängigkeit der Fed ausgesprochen. JPMorgan CEO Jamie Dimon sagte im Juli nach Attacken des Präsidenten auf Notenbankchef Jerome Powell: "Die Unabhängigkeit der Fed ist absolut entscheidend, und zwar nicht nur für den derzeitigen Fed-Vorsitzenden, den ich respektiere, sondern auch für den nächsten Fed-Vorsitzenden. Das Herumspielen mit der Fed kann oft negative Folgen haben, die das genaue Gegenteil von dem sind, was man sich erhofft."
Einen Tag später sprangen David Solomon, CEO von Goldman Sachs, Jane Fraser von Citigroup und Brian Moynihan von der Bank of America Dimon bei. "Ich denke, die Unabhängigkeit der Zentralbanken hat uns nicht nur hier in den USA, sondern weltweit unglaublich geholfen", sagte etwa Solomon in einem CNBC-Interview. "Ich denke, die Unabhängigkeit der Zentralbanken, der Fed, ist sehr wichtig und wir sollten dafür kämpfen, sie zu bewahren."
Die ehemalige Fed-Chefin und US-Finanzministerin Janet Yellen warnte in einem Beitrag für die FT: "Politisierte Zentralbanken führen zu höherer Inflation, volatilem Wachstum und geschwächten Währungen. (...) Die Inflationserwartungen könnten ins Wanken geraten. Der Status des Dollars als Weltreservewährung wäre gefährdet."